Kraniche in Brandenburg – Linum
Mit Bahn und Rad ins Vogelparadies Linum – bei Berlin
Eine Bahn- und Radreise ins Vogelparadies der Kraniche in Brandenburg – Linum
verfasst von Silke Dimitriw
Mit der Bahn nach Kremmen
Kraniche? Bei der Lufthansa??? So lautet die sms von einem Freund, der offensichtlich noch nie von der Storchenschmiede Linum gehört hat.
„Du musst nach Linum“ – höre ich meine Schwester sagen. Und wer sich gern in den Naturschutzgebieten von Norwegen tummelt, der muss eben ins zweitgrößte Storchendorf Brandenburgs, um die Sonnenvögel der Ägypter zu fotografieren.
An der Ortschaft „Bärenklau“ vorbei geht´s mit der Regionalbahn ins beschauliche Kremmen. Endstation. Und hier endet auch schon mein Ausflug mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Mit dem Rad in die Umgebung von Kremmen
Weit und breit kein Bus in Sicht. Warten an der Bushaltestelle Richtung Linum sinnlos. „Ein Bus fährt von hier nicht nach Linum – das steht nur so im Internet“ erfahre ich in dem gemütlichen Café am Dorfbahnhof. Na, und wie das so mit dem Internet ist, da schreibt einer vom anderen ab – und am Ende bekommt man auch auch noch eine falsche Auskunft am Bahnservice.. Wieder etwas gelernt. Aber wie geht es nun weiter?
„Oh wir haben da ein Fahrrad für Sie. Damit sind sie innerhalb von ca. 1 Stunde in Linum.“ Also mit dem Rad los – und wo ich schon mal ein Rad habe, lass ich mir doch gerne ein paar nette Umwege erklären, wo ich die berühmt- berüchtigten Kraniche in Kremmen sichten kann.
Vertrauensvorschuss erhalte ich auch. Denn eine Kaution für mein sportliches 7-Gang Damenrad ist nicht vorgesehen.
Erste Begegnung mit Kranichen
Wie kann man eigentlich Kraniche finden? Ganz einfach – immer dem Gegurre nach. Klingt ein wenig wie helle Vogelstimmen von Tauben – nur lauter. Während ich so querfeldein durch eine Baumallee radle, höre ich rechts und links helles lautes Trompeten. Tatsächlich, da bin ich umgeben von hunderten und hunderten von Kranichen. Und kein Tourist in Sicht. Dafür friedlich grasende Kraniche auf den umgepfügten Äckern. Erkennbar an ihren langen Hälsen, Stelzbeinen und roten Kopfplatten.
Nein, ich bin nicht enttäuscht wie ein Rentnerpaar, dem vor mir der Futterplatz der Kraniche in Kremmen verraten wurde. „ Wir sind ja kaum 200 Meter an die Tiere herangekommen…“ So ihr enttäuschtes Fazit – wie mir die Cafebesitzerin entrüstet erzählt „Wir sind doch kein Streichelzoo – das sind eben scheue Vögel..!“
Ja, und sobald ich eine Bewegung auf die scheuen Vögel mache, schwärmen sie aus, und schweben in größeren Ketten- Formationen über den Feldern. Naja, auch schön zum Fotografieren.
Auf der Landstraße nach Linumhorst
Also weiter im Riesenbogen um Kremmen herum – vorbei an Kühen, Gänsen und sogar einem Schloss. Ich atme frische herbstliche Dorfluft ein, gemischt mit beißendem Traktorgestank.
Unterwegs frage ich vorsorglich eine Mutter, die mit ihren Kleinkindern auf dem Feld parkt, um mit ihren Kleinen die Vögel zu beobachten. Von ihr erhalte ich auch die Auskunft: Da müssen sie sich aber beeilen. Die Kraniche fliegen teils schon um 15.30 Uhr los. Ups, da muss ich wohl schneller radeln als die fliegen oder wie?
Die Landschaft bietet mir an jeder Kurve ein anderes atemberaubendes Bildmotiv. Vorbei geht es an riesigen Maisfeldern, verwelkten Sonnenblumenfeldern, Habichte fliegen vor meiner Nase auf. Zu spät, um sie mit meiner Kamera einzufangen. Weiter geht es die „Allee des Jahres 2011“ hoch. Am Ende bedeutet diese 12 km sportlichen Umweg – einmal Linumhorst und zurück – Extra-Beinarbeit. Das kommt davon, wenn man den Touristenauskünften glaubt. Also die 6 km zurück und Endspurt Linum – um die Kraniche in Brandenburg beobachten und fotografieren zu können.
Vorbereitung – Blaue Stunde in Linum
Da steht schon der erste Motorradfahrer am Straßenrand, ausgerüstet mit Fotostativ und Fernglas. Gutes Zeichen. Die letzten Kilometer vor Linum säumen Touristen mit ihren Autos die Landstraße. Kaum Fahrräder unterwegs. Es gibt ja leider für den sanften Tourismus auch kaum Radwege nach Linum.
Spätestens im idyllischen Linum zeigt sich der Vorteil eines Rades. Innerhalb von wenigen Minuten kann ich die spannendsten Ausguckorte aufsuchen – und alles zur Blauen Stunde. Am Ende bestaune ich einen rosagefärbten wunderschönen Sonnenuntergang über den Unkenteichen. Hier sind kaum noch Schaulustige zu finden, zu Fuß ist der Weg dann doch zu weit.
Nur eine Einheimische bleibt neben mir stehen. Vor uns der Blick auf die Teiche. An anderen Stellen sind die Teiche aus Naturschutzgründen nicht zugänglich. Um uns und über uns ohrenbetäubendes Vogelkonzert, wie ich es in dieser Intensität noch nie gehört habe. Wo auch kann man tausende und tausende von Vögeln bestaunen? Ich rufe meine Mutter an, damit sie dieses spektakuläre Vogelkonzert übers Handy miterleben kann.
Allmählich bekomme ich klamme Finger und mir fröstelt leicht. Bei dem Gedanken an eine 12 km lange Rückfahrt im Stockdunkeln – mitten auf der Landstraße fröstelt mir noch mehr. Also ein Großraumtaxi muss her.
Mit dem Taxi zurück nach Kremmen
„Tja, ob wir ein Großraumtaxi für Sie finden können – da möchte ich Ihnen nicht zu viel Hoffnung machen – bei 3-4 Taxis in ganz Kremmen..“ so die Auskunft des Wirtes in Linum. Aber bei meinem entsetzten Gesichtsausdruck hat der Wirt Mitleid mit mir und meint beruhigend „naja, Plan B wäre, dass ich sie fahre..! Ihr Rad findet in meinem Auto auch noch Platz.“
Wow! Glücklicherweise findet sich ein Taxifahrer, der nach 5 missglückten Anläufen mein Rad in der ersten Bankreihe seines Großraumtaxis verstaut.
Von ihm erfahre ich interessante Einzelheiten zu den Gewohnheiten der Tiere. Erstmalig gibt es 143000 Vögel in dem Ort. Vor Autos haben sie weniger Scheu als vor Fußgängern oder Radfahrern!
Denn sie haben gelernt, dass Traktoren wunderbare Futterbringer sind. Aufgepflügter Boden bedeutet leichtes Aufpicken von Würmern und anderen Insekten. Manche Vögel bleiben bis zum ersten Schneefall. Im Frühjahr kommen sie aus Schweden und Finnland. Auf Usedom gibt es auch ein ähnlich schönes Schauspiel. Aber als gebürtiger Kremmer sei er stolz auf sein Vogelparadies. Denn Linum ist eben auch eine Taxifahrt wert.
Verfasserin: Silke Dimitriw